Den Blick um 180 Grad drehen

“Ich wusste gar nicht, dass Sie so konzeptionsstark sind!” Mein ehemaliger Vorgesetzter gibt mir anerkennend die 20 Seiten meines Kommunikationskonzepts zurück. Den Auftrag dazu hat er mir erst vor zwei Tagen gegeben. Ich bedanke mich artig und lächele ein bisschen indigniert. Stehe da und weiß nicht so recht, was ich von diesem “Lob” nun halten soll. Was hat er denn vorher von mir gedacht? Dass ich nicht wüsste, was ich tue – oder keine Vorstellung davon habe, was zu tun sei?

Ein Kommunikationskonzept ist ja in vielen Fällen keine rocket science, sondern eine relativ simple Input-Output-Relation: Die Bevölkerung vertraut uns zwar in den Punkten 1 bis 3, aber viel weniger in den Punkten 4 bis 6. Also stärken wir weiterhin unsere Stärken und bauen 1 bis 3 weiter aus. Gleichzeitig arbeiten wir an unseren Schwächen 4 bis 6.

Wir werden als zu langweilig und uninnovativ wahrgenommen, obwohl wir durchaus innovativ sind? Dann zeigen wir unsere Innovationskraft eben deutlicher. Wir werden als zu verschlossen und geheimniskrämerisch wahrgenommen? Dann öffnen wir uns eben und kommunizieren auch offener, transparenter – what’s the big deal?

Selbstverständlich geht ein Konzept deutlich mehr in die Tiefe als diese drei Zeilen hier und beleuchtet die einzelnen Punkte viel detaillierter und kritischer. Aber: Im Grundsatz reicht erstmal eine SWOT-Analyse im Kopf.

Mit Studierenden der SRH Hochschule Heidelberg darf ich gerade wieder Kommunikationskonzepte entwickeln. Aktuell schauen wir uns gemeinsam an, was alles wichtig ist: Die einflussreichen und unterstützenden Stakeholder und ihre Pains und Gains, die überzeugende Kernbotschaft und die einzigartige kreative Leitidee, die diese Botschaft unverwechselbar macht.

Auf dem Papier alles nicht allzu kompliziert, aber die Köpfe rauchen dennoch über viele Tage. Ein Kreativprozess, der erst wegen der tiefen Analyse des eigentlichen Glaubwürdigkeits- und Wahrnehmungsproblems, das ein Unternehmen “draußen” hat, erfolgversprechend wird. Eben in die “richtige Richtung” geht.

Das macht mir großen Spaß: Wir lassen uns von großartigen Kreativkampagnen inspirieren, verändern die Blickrichtung um 180 Grad, drehen Altbekanntes in Unerwartetes, transformieren Ödes in Brillantes und Unsichtbares in “Wow!”

Ich mag konzeptionsstark. Weil ein gutes Konzept den Kern des Unternehmens herausarbeitet und ins Herz schaut. Und die Kunden und Kritiker verstehen und einbinden will. Ein Kommunikationskonzept ist ein Business-Konzept, wie ich finde. Gerne mache ich Euch den Kardiologen dazu… 🙂

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