Okay, so richtig viel haben Zongo Limone und das Cluetrain Manifest nicht miteinander zu tun. Der verbindende Faktor ist der Erfinder der niemals sprudelnden Brause, der eben schon mehrfach erwähnte Ex-Kurpfälzer Thilo Specht. Er betreibt das Blog Cluetrain-PR, das direkten Bezug auf diese Veröffentlichung von 1999 nimmt.
Das Ende der Einbahnstraßen-Kommunikation
Was hat es mit diesem ominösen Manifest auf sich? Vier Amerikaner, von denen der Philosoph David Weinberger wohl der bekannteste ist, haben kurz vor der Jahrtausendwende und mitten im Dotcom-Boom reformatorisch wirkende 95 Thesen veröffentlicht. Die durch das Internet neuartige Vernetzung der Menschen untereinander verändere ihre Kommunikation und verändere die Machtstrukturen. Unternehmen sind nicht mehr länger über- und Konsumenten nicht mehr länger ohnmächtig; vor allem, und damit beginnt das Manifest, seien Märkte von heute nichts anders mehr als Gespräche. Um verbotener-, aber passenderweise einmal Wikipedia zu zitieren:
Das Manifest skizziert das Ende der einseitigen Kommunikation. Die Märkte der Zukunft basieren auf den Beziehungen der Menschen untereinander und auf den Beziehungen der Unternehmen zu den Menschen bzw. den Märkten.
Die Märkte, so die zweite der 95 Thesen, bestehen aus Menschen. Und eben nicht aus „demographischen Segmenten“ oder anderen blutleeren technokratischen Entitäten. Mitten in einer immer technischer werdenden Welt postulieren die vier Amerikaner eine „Wiedergeburt“ des Menschen als wichtigstes handelndes Subjekt – in einer Ökonomie, in der Menschen nur noch zu quantifizierbaren Konsumenten reduziert wurden. Das Internet, so These 6, „ermöglicht Gespräche zwischen Menschen, die im Zeitalter der Massenmedien unmöglich waren“, und These 11 begründet die Kraft und Stärke der vertrauensbasierten Mund-zu -Mundpropaganda:
Die Menschen in den vernetzten Märkten haben herausgefunden, daß sie voneinander wesentlich bessere Informationen und mehr Unterstützung erhalten, als von den Händlern und Verkäufern. Soviel zur unternehmerischen Rhetorik über den Mehrwert ihrer Waren.
Das Grundgesetz der dialogischen PR
Das Cluetrain Mainfest ist das Grundgesetz der dialogischen Kommunikation. Es vertraut in die Weisheit anderer Menschen und setzt auf die zeitgemäße Form gleichberechtigter (Geschäfts-)Beziehungen.
Die Details des Cluetrain Mainfests sind sicherlich für ein Oberseminar interessant; viel wichtiger aber ist ihr Impact auf zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit und zeitgemäßes Marketing, das jeden einzelnen Menschen erst in den Blick, dann zweitens ernst nimmt und mit jedem einzelnen Kunden oder Interessenten, Mitarbeiter oder Partner im wahrsten Wortsinne ins Gespräch kommen möchte. Eine völlig veränderte Form der Ansprache:
- Wer eine Botschaft hat, schreit nicht mehr undifferenziert in eine unbekannt-amorphe „Konsumentenmasse“ hinein.
- Wer eine Botschaft „an den Mann“ bringen möchte, muss sie buchstäblich mit aller Konsequenz zu diesem Mann hinbringen, muss ihn umgarnen und überzeugen, muss ihn begeistern.
Aus dieser dialogischen Form der Kommunikation entsteht eine neue, vor allem aber extrem schlagkräftige Form von Werbung: Word of mouth, die Mund-zu-Mundpropaganda. Sie ist deshalb so wirkmächtig, weil sie auf Vertrauen setzt; Vertrauen, das Unternehmen längst verloren haben und durch Corporate Social Responsibility und Compliance-Maßnahmen langsam wieder mühsam zurückzugewinnen versuchen: Das aber vertraute Menschen besitzen. Ein Nachbar beispielsweise. Wenn er mir mit leuchtenden Augen von seinem neuen Aufsitzrasenmäher erzählt, der ein Wunder der Technik sei und das zu einem unverschämt günstigen Preis – dann vertraue ich ihm. Und kaufe eventuell ebenfalls einen Ausitzrasenmäher derselben Marke. Und erzähle im Büro meinen Kollegen ebenfalls mit leuchtenden Augen von den beiden neuen Rasenmähern in unserer Straße…
Und so macht die Botschaft die Runde – ohne klassische Werbung, aber mit echtem Herzblut.