SharePoint – das Betriebssystem der Betriebe?

Sie sitzen vor Ihrem Arbeitsplatzrechner und zählen die Programme durch, die sie täglich benutzen: Word und Outlook sind gesetzt, Excel und SAP braucht man, alle paar Wochen kramt man für das nächste Meeting PowerPoint hervor, die Zeiterfassungssoftware läuft, eventuell nutzen sie Messenger oder Videokonferenzen, und irgendjemand hat Ihnen mal einen Link zu einem SharePoint Teamroom geschickt – ein Dutzend Software, das man immer mal wieder braucht, und zwei weitere Dutzend hat die EDV vorausschauend gleich mitinstalliert auf Ihrem Rechner.

Stand heute: Separatismus statt Kollaboration

Blöd nur: Die meisten Programme können nicht miteinander. Alles scheint in unserer Welt mittlerweile vernetzt zu sein, und die Computer selbst sind es selbstverständlich schon länger – aber “vernetzte Software”? Gibt es nicht. Oder kaum und oft mit Kosten verbunden. Office-Pakete bündeln eine Handvoll Programme, klar. Aber so richtig reibungslos klappt der Austausch von Inhalten von – sagen wir: – der Tabellenkalkulation in die Präsentationssoftware und umgekehrt nicht.

Ein „Betriebssystem“, das alle diese Programme sinnvoll zusammenbindet und das sich um die Verwaltung der Dateien kümmert. Das den Betrieb des Betriebs vereinfacht, beschleunigt und vereinheitlicht. Ein System, an das alle Mitarbeiter gleichermaßen angebunden sind, das eine einheitliche Benutzeroberfläche hat und mit dem man so gut wie alle Betriebsprozesse abbilden kann? Das das Wissen der Mitarbeiter und des Unternehmens erweitert und Chaos in der Dokumentenverwaltung beendet?

SharePoint – das Schweizer Messer der Collaboration

Ich bin kein Microsoft-Fan, halte aber SharePoint für dieses Schweizer Messer der Unternehmenssoftware. Der Unterschied zu anderen Social Collaboration-Tools wie Trello oder Slack oder Just oder Yammer (das mittlerweile selbst Teil von SharePoint ist): Es ist integraler Bestandteil des Office-Paketes von Microsoft und arbeitet mit Outlook, dem Dateimanager, Excel und Word nicht nur nahtlos zusammen – es bohrt die Funktionalitäten des Paketes ordentlich auf! Kein anderes Tool hat diese vollständige Integration in die meistgenutzte Bürosoftware (laut Statistischem Bundesamt 92 % Marktanteil!) – und das macht SharePoint für mich zum Betriebssystem der Betriebe.

Leider hoher Aufwand durch SharePoint

Eines vorweg: SharePoint ist ein tolles, mächtiges, als Office-Produkt vollständig in die Arbeitsplätze und -abläufe integrierbares Produkt, das sich als Intranet-Plattform geradezu alternativlos aufdrängt. Ich kenne derzeit kein besseres System für die alltäglichen kommunikativen und kollaborativen Zwecke im Unternehmen. Einerseits.

Andererseits ist SharePoint sehr aufwändig:

  • finanziell höchst aufwändig in der Beschaffung und im Betrieb,
  • personell sehr aufwändig in Konfiguration und Pflege,
  • intellektuell hoch aufwändig, weil SharePoint neue Zugänge, Workflows, Prozeduren ermöglicht und verlangt.

Es ist ganz sicher (ganz sicher!) kein Projekt, das man mal so eben an einem Freitagnachmittag projektiert.

Jeder SharePoint ist anders. Jedes Word-Dokument auch

Aber: Ein Betriebssystem für Betriebe muss zwangsläufig aufwändig sein: Jeder Betrieb ist logischerweise anders, jede Abteilung hat andere Anforderungen, und jedes Unternehmen ist individuell strukturiert. Die eine One-Click-Installation out-of-the-box kann es daher nicht geben. Das ist erstmal eine Kröte, die man als Unternehmen schlucken muss.

Dass SharePoint architektonischen und inhaltlichen Aufwand bedeutet, ist aber schnell einleuchtend: “Den” fertigen und für alle selben Brief von Word oder “das” fertige und für alle gleiche Excel-Sheet gibt es ja auch nicht. Die Software stellt allenfalls ein paar leere Templates zur Verfügung, die absichtlich rudimentär gehalten sind. Jedes Unternehmen wird sie ohnehin anpassen und “costumizen” müssen – und dann mit dem individuellen Inhalt füllen, der nötig ist.

Ein SharePoint-Intranet ist kein IT-Projekt!

Und das ist auch das Problem, warum SharePoint aus meiner Sicht bei vielen Mitarbeitern einen schlechten Ruf hat und abgelehnt wird. Die Einführung von SharePoint wird häufig nicht als langfristige und das ganze Unternehmen umkrempelnde Einführung einer neuen Arbeitsweise, einer neuen Sichtweise auf Prozesse und Abläufe, eines neuen Kommunikations- und Dialogverständnisses projektiert. Sondern als IT-Projekt betrachtet und die Software von der EDV-Abteilung an dem erwähnten Freitagnachmittag mehr schlecht als recht schnellinstalliert.

Was ich oft höre, ist folgender Dialog zwischen IT und Mitarbeiter:

“Ich habe Ihnen eine Teamsite freigeschaltet.” – “Danke, aber was kann ich denn jetzt damit machen?” – “Das ist Ihr Problem. Wir machen nur die Maschinen!”

Keine Templates, keine Mitarbeiterschulungen, nur leere weiße Seiten. Das ist aber nicht einmal das Hauptproblem.

Planung, Planung, Planung!

Was fehlt, ist eine systematisch-strategische Planung: Welche Prozesse wollen wir wie mit welchen Teilnehmern abbilden? Wie soll unser Intranet konzernweit strukturiert sein? Welche Inhalte werden wie wo abgelegt und sind wie wann von wem unter welchen Bedingungen zu finden? Eine sinnvolle SharePoint-Einführung ist ein Projekt von mindestens einem Jahr Laufzeit, um das sich mehrere Projektmitarbeiter hauptamtlich kümmern müssen. Das sage ich nicht, weil ich als Berater möglichst viele Stunden abrechnen möchte. Sondern, weil nur dann das Intranetprojekt den nötigen Reifegrad erreichen kann, um wirklich zu einer Arbeitserleichterung zu werden, zu einem effizienten und effektiven Tool, das von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern akzeptiert und täglich genutzt wird.

Lutz Hirsch, der sich seit Jahren mit Intranets befasst, sagt:

Wichtig ist somit, dass das Unternehmen erkannt hat, dass ein Social Intranet kein Technologieprojekt ist, sondern eine andere Art zu arbeiten.

Das sehe ich – als Nicht-ITler verständlicherweise – genau so. Ein Betriebssystem, das die Betriebsabläufe neu sortiert, strukturiert, definiert, ist eine Aufgabe des gesamten Unternehmens. Die Installation einer Software ist es nicht.

Ad-hoc geht es nicht

Grundlegende Fragen, die geklärt werden müssen – noch bevor die erste TeamSite befüllt wird:

  • Wie organisieren wir das Intranet? Analog des Organigramms, oder analog unterschiedlicher Fragestellungen? Oft ist die zweite Herangehensweise die bessere.
  • Welche “Inhaltstypen” sind konzernweit einheitlich? Sehen Rechnungen immer gleich aus, haben Anträge immer ähnliche Felder, sind Freigabeprozesse homogenisierbar?
  • Welche Workflows sind konzernweit wichtig und ähnlich?
  • Welche Schlagworte beschreiben einzelne Aspekte unserer Inhalte und Organisationsformen am besten?

Die Antworten auf diese Fragen (und einige andere) müssen vorher feststehen, damit die Planung des Intranets sinnvoll erfolgen kann. Natürlich ist ein Intranet ein flexibles und atmendes Konstrukt, das jeden Tag auf neue Entwicklungen reagieren muss. Wer allerdings einen Porsche baut, obwohl er einen Traktor braucht, wird auf dem Acker nicht glücklich…

Ein Betriebssystem muss die Anforderungen kennen, die die Anwender haben, um sie einzulösen. Es muss die Strukturen kennen, denen es dienen soll. Es muss die Peripheriegeräte sinnvoll einbinden, damit alle sie nutzen können. Die grundlegenden Schnittstellen müssen also geplant werden. Sind sie berücksichtigt, boostet ein solches Betriebssystem den Betrieb auf ein neues Niveau.

Ein Change- und Kommunikationsprojekt

SharePoint kann das prinzipiell alles: Es kann alle nötigen Office-Programme inhaltlich miteinander vernetzen, kann Prozesse strukturieren und vereinheitlichen. Und den Mitarbeitern einzeln und dem Unternehmen im Ganzen einen großen Effizienzgewinn bringen. Es muss nur richtig geplant sein (siehe oben). Daher mein Hilferuf: Betrachtet das Intranet, betrachtet SharePoint bitte, bitte nicht als reines IT-Projekt. Dann scheitert es. Betrachtet es als Change- und Kommunikationsprojekt, als Organisations-, Schulungs- und Mitarbeiterbeteiligungsaufgabe. Und nehmt Geld in die Hand für den langen Planungsprozess. Dann aber wird am Ende ein vernetztes Betriebs-System stehen, das Einzelprogramme und Sonderanwendungen weitgehend unnötig macht. Das “Management by E-mail” unnötig macht. Das die Suche nach Dateien, Informationen, Wissen und Experten drastisch vereinfacht: man sucht nicht mehr, man findet. Selbst die abteilungseigenen Ordnerstrukturen sind dann unnötig: Der SharePoint speichert für Sie!

Das ist Enterprise 2.0: Digitalisierung nicht um der Digitalisierung willen, sondern weil sie die Arbeit und die Organisation erheblich vereinfacht.

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