Museum für Angewandte Kunst stellt weltweit erstmals „iKult“ aus
Frankfurt am Main (pia) Auf einem Frankfurter Kaffeebecher steht in schönstem iPhone-Design der Guten-Morgen-Gruß des Hessen: „iGude“. Hessisch ist Kult, und die Lifestyle-Produkte aus Kalifornien sind es auch. Daher kam der Frankfurter Designkritiker Volker Fischer schnell auf die Idee zur ersten i-Kult-Ausstellung weltweit im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst. Eine Schau strombetriebener Gerätschaften des digitalen Zeitalters, die in ihrer technischen Funktionalität und ihrer attraktiven Gestaltung Vorbilder für ganze Gattungen elektronischer Endgeräte wurden: bonbonbunte Einzelplatzrechner für die kreative Elite, „trägerlose“ mobile Musikabspielgeräte oder eine vollkommen neue Art taktiler Bedienung von Telefon und Tablet-PCs, die Technik buchstäblich „fassbar“ macht, zum Fingerspitzengefühl werden lässt.
Gottesdienst mit Steve Jobs
Das elektronische Spielzeug mit dem angebissenen Apfel hat eine ganz besondere Fan-Gemeinde, die die Produkte ihres „iGod“ Steve Jobs beinahe religiös verehrt. So gut wie alle Designer und viele Künstler nutzen die Produkte, um ihre kreativen Ideen ins bestmögliche Licht zu setzen – und sind damit „Apple-Fanboys“ der ersten Stunden. Gebannt hängen sie dem Herrscher über die profitabelste Elektrofirma der Welt an den Lippen, wenn er eine Produktinnovation in seinen gottesdienstähnlichen „Keynotes“ das Licht der Welt erblicken lässt – per Live-Stream im Internet ist die Gemeinde überall auf dem Globus mit dabei. Dabei ist die Firma aus dem Silicon Valley überhaupt nicht transzendent, sondern wie jedes Ingenieurunternehmen streng den Naturgesetzen verpflichtet: Auf Apples allererstem Firmenlogo sitzt Isaac Newton unter dem berühmten Apfelbaum. „Das Logo zeigt: ‚Wir sind das neue Gravitationszentrum: Big Blue, zieh Dich warm an’“, erläutert der Kurator der Ausstellung Volker Fischer. Seitdem ist IBM der große Gegner der Garagenfirma aus Cupertino.
Der Feind war blau
Den ersten Computer, den Jobs mit seinem damaligen Kumpel Steve Wozniak in der berühmten Garage in eine Holzkiste einbaute, hatte er dem Computergiganten IBM angeboten – dieser lehnte ab. „Eine der folgenreichsten Fehlentscheidungen der Industriegeschichte“, so Professor Fischer. Der Designkritiker kann den Original-Apple leider nur als Fotografie zeigen; das „national treasure“ der USA wird nicht ausgeliehen. Stattdessen zeigt er, wer der strahlendweiße David und wer der unterlegene mausgraue Goliath ist. „Big Blue“ kann einem richtig leid tun. Doch am Design-Gegensatz zwischen den klobiggrauen Industrierechnern von IBM und den schicken schneewittchenweißen Macintoshs von Apple wird der wichtigste Grund für den i-Kult deutlich: Apple gebiert luftigleichte Lifestyle-Produkte mit „Wohnlichkeitscharakter“, tumbe Arbeitsgeräte hämmern andere zusammen. Ein Computer aus Cupertino ist ein elegantes und teures Accessoire; wer sich ein iPhone ans Ohr hält, wähnt sich sexy. Und wer liebevoll über sein iPad streichelt, versinnlicht digitalen Lebensstil. Das besitzanzeigende „i“ vor dem Produkt lässt dabei reichlich Platz für Assoziationen: intelligent, ideal, individuell und sogar „irreversibel“ – denn bessere Technik verdrängt veraltete für immer.
Dem Star eifern alle nach
Der Walkman etwa ist auf der Strecke geblieben, der iPod hat ihn verdrängt. Ein Telefon ohne Touchscreen und „Apps“? Nicht mehr vorstellbar seit dem Siegeszug des iPhones. Und mit dem iPad hat Apple nicht etwa die altbekannte Geräteklasse des Tablet-PCs reaktiviert – es hat die Klasse schlicht noch einmal erfunden. Den Mitbewerbern des Technologieführers bleibt dabei oft nichts anderes übrig, als die Geräte mit dem Leuchtapfel dreist nachzuahmen. Volker Fischer bekommt die Vitrinen im Museum für Angewandte Kunst kaum noch zu mit iPods, die keine sind, und Tablet-PCs, die optisch ihrem Vorbild wie Teenager nacheifern. Wer nicht klont, der verdient an neuartigen Peripheriegeräten wie Dockingstations – Fischer hat über 30 zusammengestellt – oder billigem Plastikramsch wie einem schweißanfälligen bunten Uhrenarmband für den iPod nano. Aber auch renommierte Unternehmen suchen die weihevolle Nähe von Steve Jobs: Die Sportartikelfirma Nike hat einen Turnschuh entwickelt, der Trainingsdaten direkt ans iPhone sendet. Und in deutschen Oberklasse-Wagen von BMW und Mercedes gehört Zubehör aus dem Apfelreich mittlerweile zur gehobenen Sonderausstattung. Apple ist eine eigene Welt – und diese zeigt das Museum für Angewandte Kunst chronologisch, thematisch und sogar „archäologisch“: Auch Flops sortieren sich in die Fundliste ein wie etwa der iPad-Urahn „Newton“ oder eine Apple-eigene Videospielkonsole.
Kultband stieß der Apfel sauer auf
Die Begeisterung, die die Apple-Produkte auslösen, ist der „Beatlemania“ der Sechziger Jahre vergleichbar – das MAK stellt daher Beatles- und iPad-Fans großformatig nebeneinander. Zufällig ist das natürlich nicht: Das Verhältnis des Computerbauers zu der Kultband und ihrer Plattenfirma „Apple Records“ war jahrzehntelang ein säuerliches, „iTunes“ war Beatles-freie Zone. Im Jahr 2007 einigten sich Steve Jobs und Paul McCartney endlich – seitdem sind die ein halbes Jahrhundert alten analogen Pilzköpfe offizielle Werbeträger für den größten digitalen Online-Musikhändler der Welt. Die allergrößte Werbeikone kommt jedoch aus Frankfurt und heißt „Mama Hesselbach“. Vor Jahrzehnten schon machte sie immer, wenn sie mit ihrem Mann Karl sprach, in schönstem hessisch Werbung für eine Kalender-App: „iCal“…
Harald Ille
10. März bis 8. Mai: i-Kosmos. Macht, Mythos und Magie einer Marke. Museum für Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, 60594 Frankfurt am Main, Tel.: 069/212-34037, www.angewandtekunst-frankfurt.de
(am 8. März 2011 als Feature des Frankfurter Presse- und Informationsamtes erschienen.)