„Stell das doch mal schnell auf Facebook!“ Jede Social Media Managerin, jeder Social Media Manager hat diesen Satz häufiger gehört als Last Christmas letzte Weihnachten. „Poste das doch mal!“ Gerne posten wir munter drauflos und stellen pflichtbewusst alles Mögliche auf Facebook – aber zuvor sollten wir ein paar wichtige systematische Fragen fragen:
- Welchen Nutzen haben unsere User von dem großartigen Posting?
- Welche Ziele wollen wir damit erreichen?
- Welche Dialoggruppen erreichen wir damit – und wollen wir das überhaupt?
- Welche Story wollen wir denn erzählen? In welchem Format?
- Und ist Facebook überhaupt das richtige Medium, die passende Plattform für unsere Story?
Stell das doch mal schnell auf Facebook!
Diese – und ein paar weitere – Antworten müssen wir finden, bevor wir unsere Botschaften auf die sehr kritische Welt da draußen loslassen. Der Münchner Kommunikationsberater Mirko Lange beschäftigt sich seit über einem Jahrzehnt sehr intensiv mit der Wirkung von Content. Er hat mehrere Methoden entwickelt, die sehr gut helfen, den Content maßzuschneidern. Denn nur Inhalte, die von Usern wahrgenommen werden und bei ihnen Resonanz erzeugen, sind sinnvoll – alle anderen Inhalte sind vergebliche Liebesmüh und rausgeschmissen’ Geld.
Wie also schaffen wir es, zielgenaue Inhalte zu produzieren, die Resonanz erzeugen? Mirko Lange schlägt vier Systematiken vor, die diese Frage sehr gut beantworten. Ich möchte diese vier Systematiken hier vorstellen. Der erste Blick gilt dem wunderbaren Story Circle.
Der Story Circle
Zuerst einmal drehen wir die Denkrichtung um 180 Grad: Nicht die Plattform oder der Kanal sind entscheidend, sondern die Botschaft. Also nicht erst an Facebook denken, sondern die Idee beleuchten, die wir kommunizieren wollen. Diese Idee kleiden wir in eine Story, die wir von Protagonisten erzählen lassen. Diese Heros erzählen die Story auf unterschiedliche Weise: Als Abenteuerreportage oder als Comic, als nachdenkliches Interview oder als Bilderserie, als Action Video oder – warum nicht? – als Videospiel.
Erst, wenn der Story Circle einmal herumgedreht wurde und die Story dann hoffentlich rund ist, stellt sich die Frage nach der Plattform. Erst, wenn klar ist, welcher Held welche Botschaft welchem Publikum überbringt: Erst dann machen wir uns Gedanken über die Plattform. Das schöne am Story Circle: Er wird mit jeder Scheibe umfassender, und damit werden die journalistischen Darstellungsformen vielfältiger. Der Story Circle nudged uns zu einer variantenreicheren Kommunikation, zu variableren Formaten, zu abwechslungsreicherer Ansprache. Kurz: Der Story Circle verhindert Langeweile und Einfallslosigkeit.
Die erste Systematik betrachtet also das Narrativ unseres Contents: Von der Idee über die Story zur Plattform.
Ein FISH sortiert den Content ein
Zweite Systematik: Die Funktion des Contents. Bei der Einsortierung hilft ein Fisch, respektive: das FISH-Modell.
Es hilft, den Content weiter zu kategorisieren und ähnelt stark dem Google-Modell, das Content in die drei Kategorien Hygiene, Hub und Hero einteilt. Der FISH erweitert das 3H-Modell aber – seltsam, dass Google ausgerechnet diesen Aspekt unterschlägt 😉 – um Content, der für Suchergebnisse aufbereitet und bereitgestellt wird. Aber der Reihe nach.
Follow Content
Ähnlich wie das Google-Modell unterteilt das FISH-Modell Content in die Funktion, die er jeweils hat. Es gibt Content, der so vielversprechend ist, dass ich gerne mehr davon sehen/lesen/erleben möchte. Also folge ich dem Kanal, der ihn anbietet. Diese Art von guten folgenswerten Inhalten nennt Mirko Lange Follow-Content – das können schöne Geschichten sein, tolle Videos, Memes, Bilder… Die Funktion dieses Contents ist einfach: Er soll vor allem Reichweite generieren. Der Aufwand, der nötig ist, um ihn zu produzieren, schwankt, ist aber in aller Regel nur durchschnittlich hoch. Exklusivität wäre hier ohnehin fehl am Platz: Jeder soll den Content gut finden und ihm problemlos folgen können.
Inbound Content
Daneben gibt es eine deutlich exklusivere Art von Content, die auch deutlich aufwändiger zu produzieren ist. Diesen Content wollen wir nicht einfach verschenken: Wir wollen etwas für ihn haben. Beispielsweise haben wir mit hohem Aufwand eine große Studie erstellt. Wir wollen aber kein Geld dafür sehen, sondern etwas weitaus wertvolleres: die E-Mail-Adressen derjenigen, die sich für die Inhalte der Studie interessieren. Warum? Um sie später wieder ansprechen zu können: klassisches Inbound-Marketing also, daher nennt Mirko Lange den Content auch Inbound-Content.
Die Funktion, die der Content erfüllt: Wir wollen, dass potentielle Kunden uns freiwillig ihre Kontaktdaten hinterlassen als „Preis“ für die wunderbaren Insights und Inhalte, die wir ihnen kostenfrei zur Verfügung stellen. Wir nötigen den Content niemandem auf (push), sondern: die Interessenten fragen, ob sie ihn haben können (pull).
Highlight Content
Highlight-Content, im Schaubild sozusagen der Antrieb all unserer Content-Anstrengungen in der Schwanzflosse, ist das, was Youtube und Google als Hero-Content bezeichnen: Das eine sensationelle Video, die eine Wahnsinns-Bilderstrecke, das eine unerhörte Interview, das für Furore sorgt und das ausnahmsweise eine außerordentliche Reichweite erzielt. Die Funktion dieser – nur selten einzusetzenden – Goldstücke der Contentproduktion ist klar: sharing. Leute sollen diesen Content nicht nur liken oder faven, sie sollen ihn weitertragen, teilen, persönlich empfehlen. Dieser Content ist (in der Regel) sehr aufwändig herzustellen, sorgt beim Publikum für große Augen und offene Münder, für „Wow!“ und „Das hätte ich nicht gedacht“, für „Das müsst Ihr alle wissen!“ und „Made my day“…
Der Grundgedanke des FISH Modells ist, dass Content bestimmte Aufgaben erfüllen muss: Sowohl für das Unternehmen (das ihn finanzieren muss) als auch für den Konsumenten (der ihn sonst nicht liest). Die Vermischung von Aufgaben kann sich allerdings gegenseitig behindern, z.B. „Leads generieren“ und „Vertrauen aufbauen“. Je klarer Content jede einzelne Aufgabe verfolgt, desto besser wird er diese Aufgabe erledigen. (Mirko Lange)
Search Content
Follow-, Inbound- und Highlight-Content sind drei Content-Formate, die sich sehr für längere Geschichten und Storytelling eignen. Ein Content-Format, das genau gegenteilig funktioniert, ist hingegen der Search Content. Wenn ich wissen möchte, wann das Freibad geöffnet hat, möchte ich die Info sofort, ich möchte unmittelbar eine Uhrzeit oder einen Zeitraum. Hier wäre ein Storytelling à la „Die Freibad-Kultur. Wie sehr hat sie unsere Alltagsgeschichte in den letzten 200 Jahren geprägt… blablabla“ nicht unmittelbar userfreundlich resp. Schnickschnack…
Search Content muss knapp, schnell, präzise und extrem gut SEO-optimiert sein, und zwar selbstverständlich nicht nur für Google, sondern für alle Plattformen, auf denen gesucht werden kann: YouTube, Amazon, eBay, Uber, Tinder… Seine Funktion ist: sofort informieren.
Vier unterschiedliche Funktionen
Wir können unseren Content also in diese vier Funktionen
- folgen,
- ich will die Studie haben!,
- sofort informieren
- und Hast Du das schon gesehen?”
einteilen.
Oder, etwas klassischer, eben in Follow-, Inbound-, Search- und Highlight-Content, also FISH. Mit Story Circle und FISH-Modell sind wir ein gutes Stück weiter auf unserer Content Strategie-Reise gegangen, aber – dadurch unterscheidet sich Taktik von Strategie –: wir sind noch nicht ganz am Ziel. Es gibt einfach noch einige weitere Methoden, Werkzeuge und Systematiken, die wir zur Beantwortung der „Warum posten wir das, was wir posten?“-Frage heranziehen müssen.
Nach dem ersten Schritt, der Story selbst, und der Frage nach der Funktion des Contents als zweitem Schritt machen wir jetzt einen dritten Schritt auf etwas zu, das wie eine Zielscheibe aussieht.
Der Content Radar
Die Zielscheibe hat Mirko Lange Content Radar getauft. Diese dritte der vier Systematiken strukturiert den Content erneut, und erneut sind es vier Kategorien oder Quadranten, denen wir unseren Content zuweisen können.
Anders als der FISH fragt der Content Radar allerdings nach den Beziehungen, die der Content erzeugt.
Machen wir ein Beispiel, das alle kennen: #heimkommen, der Edeka-Spot aus der vorvergangenen Weihnachtszeit. Ein Spot, der wahnsinnig viel Emotion transportiert, aber nicht nur: Er stellt uns auch einige moralische Fragen, die uns tief bewegen sollten:
- Wie gehen wir mit unseren Eltern, Freunden, Beziehungen um, wie viel Wert messen wir ihnen bei?
- Haben wir die Zeit und geben wir ihnen die Zeit, die sie verdienen? Was, wenn es ein “zu spät” gibt?
- Was, wenn wir die Uhr nochmal zurückdrehen könnten?
Der Spot ist ohne Zweifel tiefgründig. Er fragt mittelbar nach dem Sinn des Lebens und der Tiefe unserer Beziehungen. Und damit unterscheidet sich diese Art von Content völlig von diesem hier.
Besonders die Emotionen gehören in die Content Strategie
Der Content Radar teilt Inhalte nun danach ein, wie emotional sie sind und wie tiefschürfend diese Emotionalität ist. #heimkommen markiert dabei so etwas wie den Goldstandard dieser Einteilung: sehr emotional, sehr substantiell – und damit auch langlebig. Über diesen Content werden wir auch in einigen Jahren noch sprechen, auf jeden Fall werden wir uns an ihn mit einem Klos im Hals erinnern. Das Katzen-Meme hingegen stinkt dagegen doch sehr ab: einmal kurz gelacht, und schon ist es wieder vergessen. Tiefgang? Eher nicht. Klos im Hals? Wohl kaum.
Im Content Radar haben die beiden Content-Stücke unterschiedliche Plätze.Das Katzen-Meme findet sich knapp links unterhalb der Mitte wieder: zwar ein bisschen emotional, kaum sachlich, wenig Sinnstiftung, daher nur kurze Relevanz. #heimkommen hingegen wird sehr weit unten rechts stehen: viel Emotion, viel Sinnstiftung, viel Relevanz.
Das Gegenstück zur Emotion, ohne die sie nur halb soviel wert wäre, ist die Ratio – die Sachlichkeit also. Sachlicher Content kann schnell konsumiert und genauso schnell wieder vergessen werden – kurzlebige News sind solch ein Fall. Diese Art von Content wird im Content Radar knapp oben links eingetragen. Sachlicher Content kann aber auch tiefgreifend das Verhalten und das Wissen verändern– dann tragen wir ihn weit oben rechts ein.
Der Content Radar nimmt sich also die sinnstiftende Qualität des Contents vor: Verändert er uns und unser Denken, erreicht er Herz und Hirn – oder prallt er an uns ab, ohne einen nennenswerten Eindruck zu hinterlassen? Alle vier Quadranten haben ihre Berechtigung: Es gibt schnell konsumierbaren sachlichen Inhalt und lustig-oberflächliche Witze – ohne sie wäre das Leben arm an Infos und Gelächter. Und es gibt Content, der tief unter die Haut geht, weil er uns aufwühlt oder weil er uns verändert. Nicht jeder Content ist gleich – eine Binsenweisheit, die FISH und Content Radar aber systematisieren… 😉
FISH und Content Radar verknüpfen sich auf ideale Weise. Während die erste Methode unseren Content in seine Funktion eingruppiert – vier davon gibt es –, verortet ihn der Content Radar hinsichtlich der Beziehung, die er aufbaut, und den Nutzen, den er hat. Mirko Lange rät, die Inhalte zuerst gemäß dem FISH-Modell zu zerlegen und die Stücke dann auf den „Radarschirm“ zu beamen.
Die Zusammenführung der beiden Methoden strukturiert den Content bis ins Kleinste durch und zeigt, welche Formate und Plattformen sich jeweils dafür eignen.
Nehmen wir an, wir haben Follow-Content. Dieser ist eher vordergründig, macht Spaß und informiert. Diese Art von Content eignet sich sehr für Tweets und News, für kurze Videos und Infografiken. Er färbt vor allem die linke Hälfte des Radars orange.
Inbound-Content ist in der Regel sachlich-funktional und langlebig. Er manifestiert sich in Studien, Whitepaper und Vorträgen – und färbt das obere rechte Viertel des Radars orange.
Die allermeisten Dinge, die man so sucht den lieben langen Tag, sind konkrete wie Schlüssel, Geldbeutel oder dieses Steuerformular, das man vorgestern schon fertig ausgefüllt haben wollte, wäre nicht diese Netflix-Episode dazwischen gekommen… Im Ernst: Die meisten Suchanfragen vor allem auf Amazon, eBay und anderen Plattformen haben funktionalen Content auf dem Zettel: Uhrzeiten, Ansprechpartner und Adressen, How-tos, Studienergebnisse, News… Search-Content färbt daher die obere Hälfte des Radars.
Bleibt die untere Hälfte. Klar: Alles, was Emotionen transportiert, hat Highlight-Potential. Highlight Content färbt daher die südliche Hemisphäre.
Jede Content-Art “färbt” also anders ab auf seine erhoffte Dialog- und Anspruchsgruppe, erfordert andere typische Formate und Plattformen – und hat eine je andere typische Wirkung. Man sieht das gut bei der KPI-Messung: Jede der vier Content-Arten des FISH-Modells erzeugt eine andere Kurve der Intensität. Während Follow-Content für das Grundrauschen sorgt, das sich in einem vorhersehbaren Korridor mehr oder weniger gleichmäßig täglich vorwärts bewegt und kaum größere Ausschläge nach oben oder unten erzeugt, sorgen Inbound- und vor allem Highlight-Content sehr wohl für heftige Ausschläge! Denn genau das ist Teil ihrer job description: Für einmalige außerordentliche Aufmerksamkeit sorgen.
Einen KPI-Sonderweg geht– mal wieder– der eigenwillige Search Content. Es wird immer und stetig gesucht; aber statt eines gleichbleibend breiten Korridors wie beim Follow-Content steigt die Finde-Intensität im Laufe der Zeit stetig an (bei gut gepflegten Websites!). Einfach, weil stetig neuer Content hinzukommt und zusätzlich zum schon vorhandenen gefunden werden kann. „Neuer Content ist nicht alternativ, sondern kumultativ“, so Mirko Lange. Muss man wissen, wenn man seine KPIs plant…
Die Content Maturity Matrix misst den Reifegrad von Unternehmen
Wer eine Story zielgerichtet entwickelt, sich über ihre Funktion Gedanken macht und sich ihre Beziehungstiefen vergegenwärtigt, verfügt über eine ansehnliche strategische Reife. Doch ist die Organisation, für die man arbeitet und den Content erstellt, ebenfalls “reif” genug? Auch darüber hat sich Mirko Lange Gedanken gemacht und flugs die Content Maturity Matrix entworfen. Für die Züricher Kommunikationsexpertin Marie-Christine Schindler, die mit Mirko Lange über die Matrix gesprochen hat, handelt es sich um folgendes:
Die Content Maturity Matrix ist ein neuer Check, mit dem Unternehmen ihren Reifegrad im Content Marketing bestimmen können. Sie erhalten kostenlos einen auf sie zugeschnittenen Report mit eigenem Content Maturity Score […] Die Content Maturity Matrix zeigt, wie weit Sie es schon schaffen, Ihre Inhalte auf die Bedürfnisse der Nutzer auszurichten. Sie gibt aber auch einen Status über die Integration von Abteilungen und Kanälen in der Organisation. Für mich ein weiteres, sehr wertvolles weil leistungsstarkes Instrument. (Marie-Christine Schindler)
Der Content Maturity Score geht von 0 bis 100. Hier können Unternehmen ja mal testen, wie weit sie schon sind: http://scompler.com/cmm/.
Wenn Ihr jetzt strategisches “Blut geleckt” habt und noch tiefer in die Materie einsteigen möchtet: Hier bietet Mirko Lange einen Einstieg in seine Modelle.