Harald Ille
am
20. Januar 2009

»Hurra, die Krise ist vorbei«

Sie gelten als die derzeitigen "Könige der Karikaturisten-Gilde": Heribert Lenz und Achim Greser, die Chef-Zeichner der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Frankfurter Karikaturenmuseum stellt ab Ende Januar ihre aktuellen Ein-Bild-Geschichten aus…

Karikaturistenduo Greser & Lenz zeigt drei Monate lang seine neuesten Werke

Frankfurt am Main (pia) Der Archetyp des modernen Fabrikanten heißt “Schrauben-Hägele”. In seiner Firma brummt’s, der Firmen-Patriarch weiß aber gar nicht recht, warum. Gerade deswegen ziert Schrauben-Hägele das Cover einer bedeutenden zeitgenössischen Polit-Publikation zur Finanzkrise: den Katalog zur Ausstellung des Aschaffenburger Karikaturisten-Duos Greser & Lenz im Frankfurter Karikaturenmuseum. Vom 29. Januar bis zum 26. April zeigt das Haus am Weckmarkt die aktuellen Ergüsse der Chef-Zeichner der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die mit ihrer komischen Kunst ein eigenes Genre geschaffen haben. Der bayerische Ur-Kabarettist Gerhard Polt eröffnet die Ausstellung am Vorabend, und dessen ebenfalls in Aschaffenburg lebender Kollege Urban Priol hat das Vorwort zum Ausstellungskatalog verfasst. Erste mainfränkisch-bayerische Prominenz also, die Museumsleiter Achim Frenz an Land ziehen konnte.

Komischer Kommentar zu den Zeitläuften
Die “Könige der Karikaturisten-Gilde” erklären seit über zwölf Jahren, wie die Welt funktioniert. Als sie 1996 anfangen, für die FAZ zu zeichnen, ist dieses ehrwürdige Intellektuellenblatt noch nicht wirklich reif für die schrägen Satiregemälde: “Wir sind skeptisch beäugt worden, von der Leserschaft und der Redaktion”, erinnern der quirlige Rothaarige mit Brille und Fluppe, Achim Greser, und der großgewachsene Zurückhaltende mit dem gütigen Lächeln, Heribert Lenz, an die Anfangsjahre. Aber ihr Mentor, Mitherausgeber Johann Georg Reißmüller, hat sie Jahr für Jahr “unterstützt und behütet”. Und ihnen den Auftrag gegeben, mit einem komischen Ansatz die Zeitläufte zu kommentieren. 220 Arbeiten liefern sie alleine für die größte deutsche Zeitung jährlich ab – mittlerweile sogar in Farbe… “Die beiden haben es mit ihrem turbulenten, unverwüstlichen Humor fertiggebracht, eine zutiefst seriöse Zeitung wie die FAZ wider die politische und bürgerliche Korrektheit aufzumischen und zu verjüngen”, schreibt der Kunstkritiker Eduard Beaucamp in seinem Essay “Der Gosse eine Gasse!”.

Karikaturen ohne Knollennase und Birnenköpfe
Das komische Geheimnis von Greser und Lenz lasse sich in jeder Zeichnung neu ergründen, meint Julia Schaaf vom Hausblatt der beiden Aschaffenburger: “Da sind keine Sparschweine, die für die Haushaltslage herhalten müssen, nirgendwo ein Karren mit der Aufschrift ‘Deutschland’, der im Dreck stehen würde”. Greser und Lenz verzichten auf Knollennasen und Birnenköpfe, überzeichnen nicht, wie es die Karikatur alter Schule tut. Im Gegenteil: Heribert Lenz und Achim Greser erzählen nette Geschichten aus dem Alltag, aus der “Welt von Erna und Kurt”. Dort trifft Politik auf Wirklichkeit, dort schnurren die vielen aufgeblasenen Hysterieballons auf ihre wahre Bedeutung zusammen – eine umgefallene New Yorker Mülltonne ist eben noch lange kein Anzeichen für einen Terroranschlag, und auch Chefkapitalist Josef Ackermann trinkt im Schlabberlook gerne mal ein Dosenbier am Kiosk nebenan.

Ein warmes Herz für Otto Normaltaliban
“Wir wollen eine Enthysterisierung von Debatten, indem wir uns über den Gegenstand der Debatte lustig machen”, sagt Achim Greser – wenn es der Klärung dient, schauen die beiden Karikaturisten dafür sogar bei Gottvater persönlich vorbei, der einem Engel mitteilt: “Fliege runter und sage unseren Leuten, sie sollen sich nicht so haben, ich habe mich selber köstlich amüsiert über diese dänischen Karikaturen”. Alles halb so schlimm also, wenn man mal von oben auf die kleinlich-menschlichen Zwistigkeiten blickt. Überhaupt haben Lenz und Greser ein warmes Herz für die kleinen Angestellten. Auch für Otto Normaltaliban, für den seit dem Terroranschlag auf das World Trade Center auch nichts mehr so ist, wie es zuvor war: Überstunden, Bereitschaftsdienste, Urlaubssperre: “Oh, wie ich ihn hasse, diesen verdammten 11. September”.

Ackermann als Spitzenkandidat der Linkspartei
Die großen außenpolitischen Themen der vergangenen Jahre, Irakkrieg und islamistischer Terror, sind derzeit innenpolitischen gewichen – Überalterung der deutschen Bevölkerung nebst undurchschaubarer Renten- und Gesundheitsreformen, und natürlich: Finanz-, Wirtschafts- und Autokrise. Josef Ackermann als Spitzenkandidat der Linkspartei, arbeitslose Investmentbanker, die bei ihrem eigenen Gärtner um eine Anstellung betteln oder ältere Damen, die Klorollenschoner häkeln und von der Absatzkrise der Autohersteller voll erwischt werden: Greser & Lenz haben die Krise als augenzwinkernde Chronisten verfolgt und detailreich-farbig dokumentiert. Nun fühlen sie sich informiert genug, um selbstbewusst verkünden zu können: “Hurra! Die Krise ist vorbei!”

Eröffnungsfeier mit fränkischem Bier
“Wir haben gedacht, eine positive Botschaft verkauft sich besser”, verrät Achim Greser die wahren wirtschaftlichen Hintergründe für diese “undenkbarste aller Schlagzeilen”. Was die Lösung der Krise gleich mitliefert – Aufschwung durch Eintrittskartenverkauf. Nur nicht unterkriegen lassen also: Am 28. Januar stoßen die beiden Aschaffenburger im Karikaturenmuseum mit fränkischem Bier auf das Ende der Krise an.

Harald Ille

(Dieser Text ist am 20. Januar 2009 als Feature des Presse- und Informationsamtes der Stadt Frankfurt am Main erschienen.)

Harald Ille

Zwölf Jahre war ich Corporate Communicator einer deutschen Großstadt. Kommunale Kommunikation liegt mir weiter am Herzen.